Werke von Peter Janssen dem Älteren (1844 - 1908)
Die h. Elisabeth und ihr geistlicher Zuchtmeister Konrad von Marburg. 1230
Bildbeschreibung von Margret Lemberg
Quelle:
© 1985 Margret Lemberg/Gerhard Oberlik:
Die Wandgemälde von Peter Janssen
in der Alten Aula der Philipps-Universität zu Marburg
N.G. Elwert Verlag Marburg
 

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Das Gemälde, das die Blicke des Betrachters zuerst auf sich zieht, ist zugleich das erste des Zyklus der Hauptbilder. Es ist durch seine Position und durch den Lichteinfall begünstigt und zeigt eine Szene aus dem Leben der Heiligen Elisabeth, die allen Marburgern zur Entstehungszeit der Gemälde bekannt gewesen sein dürfte: "Die h. Elisabeth und ihr geistlicher Zuchtmeister Konrad von Marburg. 1230", so lautet die Bildunterschrift.

Man sieht in einen Krankensaal hinein, auf dessen Fliesenboden die Heilige vor dem Fußende eines Bettes kniet; sie wendet sich leicht dem hinter ihr stehenden Konrad von Marburg zu, der mit einer nicht ganz verständlichen Gebärde sein Beichtkind bedroht.

Der Krankensaal, die Geste, kurz das ganze Sujet hatte schon die Zeitgenossen erstaunt, und die Verantwortlichen in der Senatskommission, allen voran der Historiker von Sybel, formulierten ihre Bedenken in einer Eingabe an den Kultusminister in Berlin.

Zu dem Geiste des dreizehnten Jahrhunderts, wie er durch die Heilige und den Ketzerrichter repräsentiert wird, steht der Geist unserer Universität in ausschließendem Gegensatz." Man empörte sich nicht nur über das Thema überhaupt, sondern auch über den " Wutausbruch", die "Nichtachtung der Kranken" und stieß sich auch an dem Gesicht der "hübsche(n) junge(n) Barfüßerin". Dieses Gemälde dürfe nicht eingefügt werden, es verletze "beständig" ..."die Gefühle der an unseren Festlichkeiten teilnehmenden Mitbürger und Frauen jeder Konfession." (Die Zitate sind Dietrich Biebers Dissertation über Peter Janssen entnommen.) Was die Gefühle so verletzte, kann man nur noch auf dem Entwurf des Gemäldes im Universitätsmuseum erkennen: dort reißt sich Konrad den geknoteten Geißelstrick vom Leibe, um "ihn doppelt genommen auf die Rückseite der liebevoll Beschäftigten niederfallen zu lassen", wie es bei v. Sybel heißt.

Außer der angeblichen oder wirklichen Entrüstung iiber den Realismus in der Malweise Janssens klingt hier, wie Dietrich Bieber zu Recht vermutet, gekränkte Eitelkeit an, denn Janssen hatte entgegen dem Vorschlag der Senatskommission, die die Südwand für Bilder der Kaiser Wilhelm I. und Wilhelm ll. rechts und links von Philipp dem Großmütigen, dem Gründer der Universität, hatten reserviert sehen wollen, ein anderes Konzept entwickelt. Als Kompromiß entfiel der Strick, so daß die Haltung des wütenden Zuchtmeisters etwas unmotiviert Theatralisches erhält. Daß dieses Bildthema in ein genau bedachtes Konzept paßt, wird klar, wenn man den gesamten Zyklus bedenkt. Mit diesem Bild sollte die durch die Reformation überwundene ungeistige Religiosität des katholischen Mittelalters gezeigt werden. Die Figuren um Konrad verweisen wie anklagende Intriganten auf die Heilige, die entgegen der Anordnung ihres Beichtvaters wieder selbstlos Kranke pflegt. Wie geschickt Janssen es verstand, eine Bildmitte aufzubauen, zeigen viele Einzelheiten: der weiße Schleier der Büßerin hebt sich als einziges klares Weiß deutlich vom Grauweiß der Betten oder von der Kutte Konrads ab. Der Betrachter blickt unwillkürlich mit den Kranken von rechts vorne und von hinten rechts zur Heiligen oder mit der sie überragenden, stehenden Gruppe um Konrad, die auf Elisabeth niederschaut oder sogar auf sie zeigt. Auch Konrads schwarzes Skapulier läuft auf die Erniedrigte zu.

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