Das kleinste Bild auf der Westwand "Schlacht bei Laufen. 1534" steht in enger gedanklicher Verbindung zu dem
vorhergehenden Thema: Das Engagement eines weitschauenden evangelischen Fürsten, Philipps des Großmütigen, als gedachten Vorläufers des preußischen Monarchen, zeigt sich auch hier. Die Fußtruppen des katholischen
Kaisers mit dem sie überragenden Doppeladler des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation werden von den von rechts heranstürmenden Reiten Philipps überrannt..
Die hessische Fahne mit dem roten Löwen und den Sternen ragt hoch auf: Die
katholische Partei geht im Pulverdampf unter, und Ulrich von Württemberg,
der vor der Schlacht den Württembergern die Einführung der Reformation
zugesichert hatte, erhält durch diesen Sieg Philipps nach 15 Jahren sein
Land zurück.
Da wieder eine Aulatür spitzbogig in das Bild ragt, mußte Janssen bei der
Komposition des dynamischsten Bildes seines Zyklus sorgfältig vorgehen. Der
Betrachter "stürmt" mit den siegenden Hessen von rechts zur Bildmitte, die
diesmal der erste Reiter einnimmt. Die Linien, die dessen Rücken wie auch
der Hals und Kopf seines Pferdes bilden, werden von der hessischen Fahne und
einer Lanze als betonte Parallelen aufgenommen.
An den Gesichtern der
überrannten kaiserlichen Soldaten im Vordergrund erweist sich Janssens Lust
zur Psychologisierung: Erstaunen, Angst, Brutalität und Kampfesmut spiegeln
sich in den breiten Gesichtern, während die Masse der kaiserlichen
Soldateska auch im formalen Kontrast dazu im Rauch verschwindet.
An diesem Bild wie auch an den anderen Gemälden des Zyklus läßt sich das
Kunstverständnis eines Historienmalers ablesen. Die Illustration
historischer Ereignisse geschah überwiegend in Zyklen, wobei man Themen der
Sage ebenso benützte wie solche der verbürgten Geschichte. In Janssen, der
an der Kunstakademie in Diisseldorf das Fach "Historienmalerei" lehrte,
manifestiert sich besonders gut die Endphase dieser Kunstrichtung des 19.
Jahrhunderts. Der Marburger Zyklus, aber auch die im Erfurter Rathaus
erhaltenen großformatigen Gemälde beweisen, daß Janssen mehr als nur ein
Kunstwerk schaffen oder sich
"verwirklichen" wollte: er wollte mit seinen Gemälden und durch seine
ikonographischen Programme den Betrachter beeinflussen, ihn bilden,
erziehen.
Janssen verfügte über alle Stilrichtungen und benutzte überlegen das in der
Kunstgeschichte vorhandene Reservoir der Bildlösungen. Der bekannte
theatralische Bildaufbau, die Häufung der Motive und die angestrebte Treue
im historischen Detail tragen füir den heutigen Betrachter zur Entleerung
der Bilder ebenso bei wie die bis zur Sentimentalität gehende Übersteigerung
im Gefühlsausdruck störend wirkt. Auffallend ist zudem am Historismus
Janssens, daß das Landschaftliche zugunsten der figürlichen Darstellung
zurückgedrängt wird, wobei die Hauptperson immer herausgehoben ist und sich
das zentrale Geschehen in den Gesten und Gesichtern der sie umgebenden
Menschen spiegelt.
An der Rezeption der Bilder Janssens in den Fachzeitschriften läßt sich
ablesen, wie rasch in diesen Jahren des Umbruchs zur modernen Kunst die
Historienmalerei sich überlebte. 1895, als Janssen den Auftrag zur Ausmalung
der Aula erhielt, war er auch in Künstlerkreisen und vor allem im Bereich
der offiziellen Kunst ein hoch angesehener Maler. Als er in Düsseldorf die
ersten Bilder des Marburger Zyklus vorstellte, erhielt er durchweg lobende
Kritiken. Als aber 1902 der Gesamtzyklus fertiggestellt war, hatte sich der
Geschmack der Kunstverständigen schon gewandelt. Man warf Janssen sein
großes Pathos vor; der Kunsthistoriker Paul Clemen bezeichnete seine
Bildlösungen als "angewandte Kostümkunde", ohne dabei freilich
Janssens großes malerisches Können in Frage zu stellen; Walter Cohen
nannte 1917 die Aulabilder sogar " verletzend illustrativ".