Werke von Peter Janssen dem Älteren (1844 - 1908)
Professor Christian Wolf wird von Marburger Studenten eingeholt. 1723
Bildbeschreibung von Margret Lemberg
Quelle:
© 1985 Margret Lemberg/Gerhard Oberlik:
Die Wandgemälde von Peter Janssen
in der Alten Aula der Philipps-Universität zu Marburg
N.G. Elwert Verlag Marburg
 

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Im letzten Bild, "Professor Christian Wolf wird von Marburger Studenten eingeholt. 1723", nimmt der Maler ein    Ereignis auf, das schon in den Vorschlägen der "Akademischen Kommission zur Ausschmückung der Aula" im Mai 1890 als Thema erwähnt wurde. Es ist neben der Begrüßung der Reformatoren und dem Auszug der Dominikaner als einziges Gemälde von dem ursprünglich als Selbstdarstellung der Universität gedachten ikonographischen  Programm übriggeblieben.

Durch die kluge Entscheidung des Landgrafen Karl von Hessen-Kassel, dem aus Halle wegen seiner "Religionsfeindlichkeit" ausgewiesenen Mathematiker und Philosophen Christian Wolff in Marburg eine Professur anzubieten, lebte Marburg für 17 Jahre als Universitätsstadt auf. Daß seine Kollegen in Marburg gegen Wolffs Kommen protestierten, zeigt das Bild nur indirekt: Dem berühmten Mann, der in der linken Bildmitte dunkel gekleidet mit Allonge-Periicke aus seinem Reisewagen steigen will, empfangen nur jubelnde Studenten; Professoren aber oder gar die Universitätsspitze sind nirgends zu sehen.

Die begeisterten Studenten, von hinten oder im Halbprofil gemalt, stehen dem Betrachter allein schon durch ihre Größe, aber auch durch die Anordnung näher als alle Personen und Personengruppen auf den anderen sechs Bildern des Zyklus. Mit ihnen schaut man auf den berühmten Gelehrten, ihre sorgfältig gemalten Gesichter, zur Begrüßung geschwungenen Dreispitze und hochgereckten Arme unterstützen die Blickrichtung. Damit der Identifizierungsprozeß für den Besucher der Aula, für die Marburger Studenten und Bürger, nach leichter fällt, sieht man im oberen Drittel des Bildes die Dacher der winterlich grau-weißen Stadt, dieses Mal keine idealtypische Stadt des 18. Jahrhunderts, sondern Marburg mit dem Schloßberg links vom Kutscher und dem Dach der Elisabethkirche und den abgeschnittenen Türmen rechts, sogar die Dächer der Gebäude des Deutschen Ordens sind nicht vergessen worden.

Mit dem durch Wolff vertretenen Rationalismus, mit klarem Verstand also ist es gelungen, die religiöse Enge zu überwinden, wie sie auf anderen Bildern des Zyklus, dem Elisabethbild und dem Dominikanerbild, dargestellt wird. Das ungebrochene Vertrauen in die Macht der Vernunft, der Fortschrittsglaube und die um 1900, zur Entstehungszeit der Gemälde, vorherrschende Zukunftshoffnung sind überzeugend eingefangen.

Daß die um. die Orgel gruppierten Bilder an der Nordwand -Die Dominikaner verlassen ihr Kloster, Studenten begrüßen den berühmten Aufklärer -eine gedankliche Einheit bilden, stellte schon während der Rektoratsübergabe am 18. Oktober 1903 der scheidende Rektor, der Altphiloloe Theodor Birt, in seinem Rechenschaftsbericht fest. Er betonte in dieser Rede, in der die Gemälde erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, daß die Absicht des Wolff-Bildes nicht darin liege, zu zeigen, daß "der beriihmte Wolff dem Lehrkörper angehört habe", sondern man wolle " vielmehr an einem bestimmten Beispiele erkenntlich" machen, "wie auch die späteren Hessenfürsten als ,rectores magnificentissimi' sich stets ihrer Pflichten gegen die Stiftung Philipps bewußt gewesen sind und daß sie alles aufboten zu deren Bliihen, Wachsen und Gedeihen." Wir Heutige könnten noch hinzufügen: wie jetzt, 1903, der preußische Landesfürst, der Kaiser des Deutschen Reiches, ihm nacheiferte, indem er dieses prächtige Gebäude errichten ließ.

Eine andere Wendung aus dieser Rede unternimmt den Versuch einer Gesamtinterpretation des Zyklus, natürlich verkürzt im Hinblick auf die Universität Marburg. "Er (Janssen) will uns auf dem Boden Marburgs die gesamte deutsche Geistesentwicklung zeigen, die drei Phasen durchlief: Scholastik und Askese, die in Konrad von Marburg vor uns stehen. Sie zu überwinden entstand die Reformation, die unsere Hochschule schuf. Aber auch diese Hochschule der Reformation war noch zu engen und spezifisch kirchlichen Geistes und wurde endlich überwunden von der reinen freien Wissenschaft, die sich hier für uns in Wolff verkündet ...Darum wird uns die studentische Jugend auch erst auf diesem letzten Bilde gezeigt: erst die freie Wissenschaft ist es, der sie zujubelt."

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